Die Energiebranche befindet sich im Umbruch, der Kostendruck steigt seit Jahren. Das spürt auch die deutsche Tochtergesellschaft des französischen Konzerns Framatome, die auf den sicheren Betrieb und die Instandhaltung von Kernkraftanlagen spezialisiert ist. Florian Cahn ist General Counsel bei Framatome in Deutschland. Er treibt die digitale Transformation der Rechtsabteilung voran. Vor Kurzem gab die zentrale Rechtsabteilung grünes Licht für die Einführung von Legartis zur automatisierten Vertragsprüfung.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Rechtsabteilung?
Florian Cahn: Wir sind Teil einer globalen Abteilung, die in den letzten Jahren personell stark reduziert wurde. Zuerst haben wir weitergearbeitet wie bisher, einfach mit weniger Team-Mitgliedern. Das konnte aber auf Dauer nicht gutgehen.
Uns war klar, dass wir Wege finden müssen, um Prozesse effizienter zu organisieren und unser Wissen personenunabhängig zu verwerten. Daraufhin haben wir uns nach digitalen Lösungen zur Effizienzsteigerung umgesehen. Heute ist die digitale Transformation in der Rechtsabteilung wichtiger denn je, um wettbewerbsfähig zu sein, und das Unternehmen wertschöpfend zu beraten und zu begleiten.
Was waren die ersten Schritte in Richtung zukunftsfähige Rechtsabteilung?
Wir haben als Erstes eine digitale Akte (Matter-Management-Software) eingeführt. Statt Dokumente in Verzeichnissen und Kontextinformationen in persönlichen E-Mail-Eingängen zu speichern, finden wir jetzt alle Informationen zur Beurteilung eines Vorgangs an einem digitalen Ort. Das war der erste Schritt zur Verschlankung der Prozesse.
Allerdings reichte dies noch nicht. Die jährliche, interne Befragung zur Zufriedenheit mit der Rechtsabteilung ergab, dass unsere strategischen Beratungsleistungen stark vermisst wurden, genauso wie unsere Unterstützung in der Expansion des Geschäfts. Zudem wurde bemängelt, dass wir nur noch Verträge abarbeiten würden und dies auch noch viel zu langsam. Die Rechtsabteilung als Nadelöhr des Business? Das durfte nicht sein. Aus diesem Grund suchten wir nach Lösungen, um den Vertragsprüfungsprozess zu automatisieren.
Von wem kam die Initiative, die Vertragsprüfung zu automatisieren?
Ich hatte von der Möglichkeit gehört, dass künstliche Intelligenz Verträge automatisiert prüfen kann. Das hat mich angesprochen. Nicht nur, weil ich das Potenzial gesehen habe, Zeit zu gewinnen. Eine solche Anwendung gibt einen Teil der Verantwortung für Verträge wieder zurück zu den operativen Einheiten und entlastet uns damit in der Rechtsabteilung.
Wie meinen Sie das? Wie entlastet die automatisierte Vertragsprüfung Ihr Team?
Wir haben ein sehr erfahrenes Vertriebsteam. Bisher haben aber Vertriebsmitarbeiter:innen Vertragsentwürfe oft erst einmal an uns weitergeleitet, weil das die bestehenden Prozesse so vorsehen. Dabei kennen sie die geplante Zusammenarbeit sehr viel besser als wir Jurist:innen. Wir können nur allgemeingültige Einschätzungen geben, ob vereinbarte Prozesse oder rechtliche Risikozuordnungen problematisch sind. Projektmitarbeiter:innen kennen den Kontext: Sie wissen, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Szenario ist und können eine bessere Risikoeinschätzung treffen. Wir müssen solche Informationen von ihnen abfragen. Das führt zu Feedback-Schleifen und geht zulasten der Effizienz.
Mit Legartis können Fachbereichsmitarbeiter:innen bestimmte Verträge zukünftig eigenständig und schnell prüfen, ohne die Rechtsabteilung zu involvieren. Das beschleunigt Geschäftsabschlüsse und damit die Unternehmensproduktivität. Die Rechtsabteilung erfährt eine spürbare Entlastung, da deutlich weniger Zeit in die routinemässige Vertragsprüfung investiert werden muss. Und wir können uns mehr darauf konzentrieren, proaktiv um juristische Ecken zu schauen.
Warum haben Sie sich für Legartis als Anbieter entschieden?
Es gab einige Faktoren, die uns überzeugt haben. Wir fühlen uns mit unseren spezifischen Anforderungen sehr gut bei Legartis aufgehoben. Als Co-Development-Partner können wir mitgestalten und Einfluss nehmen auf die Weiterentwicklung der Software.
Ein riesiger Pluspunkt ist aber die Integration der automatisierten Vertragsprüfung als Word-Add-In in den bestehenden Arbeitsprozess. Bei allen Neuerungen und Veränderungen ist das ein unschätzbarer Vorteil. Müssten wir die Mitarbeiter:innen davon überzeugen, eine ganz andere Software als bisher für ihre Prüfungen zu verwenden, womöglich noch eine mit komplizierter Nutzerführung – würde dies die Einführung deutlich verlangsamen. Die Tatsache, dass man das Word aufmachen und sofort mit- und nachverfolgen kann, welche Vertragspunkte zu verbessern sind – das ist einfach ein tolles Feature.
Wie schwer war es denn, die Geschäftsführung von der Idee der automatisierten Vertragsprüfung und Legartis zu überzeugen?
Was zählt, ist am Ende der Return on Invest. Deshalb herrschte zunächst Skepsis vor, ob diese Neuerungen tatsächlich einen messbaren Nutzwert haben würden. Ich vermochte aber die Bedenken nach und nach auszuräumen
Wir haben zum Beispiel im Team zusammengetragen, wie lange wir für die verschiedenen Vertragsprüfungen brauchen. Damit hatten wir eine gute Basis, um über Medianbildung und fundierten Schätzungen zu berechnen, welche Zeit- und Kostenersparnis uns eine automatisierte Vertragsprüfung bringt. Diese Berechnungen überzeugten. Ein weiteres Argument, das zur positiven Entscheidung beigetragen hat, war die Risikominimierung. Mit der Lösung von Legartis sichern wir Qualitätsstandards im Vertragsprüfungsprozess und reduzieren damit Unternehmensrisiken.
Das Aufgabenfeld von Jurist:innen in Unternehmen und Kanzleien verändert sich durch Technologie gerade grundlegend. Was müssen Jurist:innen der Zukunft noch leisten?
Die Bedenken, dass die Tätigkeit von Jurist:innen durch künstliche Intelligenz ersetzt werden wird, halte ich für mindestens stark übertrieben. Wahrscheinlicher ist es, dass wir Jurist:innen immer weniger für unser Wissen bezahlt werden, dafür aber immer mehr, für unsere Art zu denken. Jurist:innen sind starke Analytiker. Wir können Probleme sezieren und so wieder zusammensetzen, dass neue, massgeschneiderte Lösungen entstehen. Gerade in einem immer dynamischer werdenden regulativen Umfeld wird dieses Skillset dringender denn je gebraucht.
Einfache oder wiederkehrende juristische Risikoprüfungen werden digitale Systeme besser und schneller leisten können. Unternehmensjurist:innen auf allen Hierarchieebenen entwickeln sich dadurch von Haftungsklausel-Lieferanten zu Berater:innen, die mit ihren Lösungen den Unternehmenserfolg konkret mitgestalten. Das heisst auch, dass viele Soft Skills zu neuen Hard Skills werden müssen: Ich muss nicht mehr alle relevanten Gerichtsurteile, Normen und Kommentare für einen Sachverhalt zur Hand – oder gar im Kopf – haben. Stattdessen müssen erfolgreiche Jurist:innen in Zukunft zusätzlich Verhandlungskompetenz, Teamführung und vor allem Entscheidungsfähigkeit mitbringen.
Florian Cahn ist seit 2017 General Counsel und VP Legal Patents Insurance der Framatome GmbH. Das Unternehmen ist Teil des französischen Kernenergieversorgers Framatome. Vor der Ausgliederung der Kernenergiesparte als Framatome war Florian Cahn ab 2006 in verschiedenen Funktionen für den Areva-Konzern tätig. Seit 2021 ist er zudem Vorstandsmitglied der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit.
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