Die internationale Anwaltskanzlei CMS Deutschland ging anfangs 2020 mit Legartis eine Technologie-Partnerschaft ein im Rahmen der Entwicklung einer umfassenden Datenschutz-Compliance-Applikation. Seit Ende 2021 ist CMS mit dem eigenentwickelten Produkt ComplyDPA am Markt. Die Applikation befähigt unternehmensinterne Fachabteilungen zur eigenständigen Durchführung von AVV-Prozessen. Die Technologie-Partnerschaft der beiden Unternehmen verfolgte das Ziel, die Kompetenzen von Legartis im Bereich der KI-gestützten Vertragsanalyse in ComplyDPA zu integrieren. Dazu entwickelte Legartis eine Schnittstelle von der KI zum CMS-Produkt, das die KI-gestützte Analyse von Auftragsverarbeitungsvereinbarungen (AVV) ermöglichte. Zu den Hintergründen dieser Zusammenarbeit geben Frederik Leenen, Head of Legal Tech bei CMS Deutschland und David A. Bloch, CEO Legartis, Auskunft.
Wie kam CMS Deutschland auf Legartis als Technologie-Partnerin im Bereich der KI-gestützten Vertragsanalyse? Welche Rolle spielte Legartis in dieser Partnerschaft?
FL, CMS: Legartis war zu dem Zeitpunkt, als wir nach einem Technologiepartner suchten, zwar noch ein jüngeres Start-up. Es war aber schon namhaft und von beeindruckendem Erfolg, eines, das man auf dem Radar hatte. Wir suchten damals konkret nach geeigneten Legal-Tech-Partnern, die mit uns gemeinsam kundenzentrierte Legal-Technologien vorantreiben könnten.
Nach einem Gespräch mit Legartis wurde schnell klar, dass sich die Fähigkeiten, Erfahrungen und Kundenstrukturen gut ergänzen.
Nach einigen Treffen gewannen wir auf persönlicher und inhaltlicher Ebene die Sicherheit, dass bei der Entwicklung einer technologischen Gesamtlösung für die Vertragserstellung-, analyse und -prüfung Legartis sowohl die Kompetenz als auch die Agilität mitbringt, im Bereich der Vertragsanalyse den größtmöglichen Kundennutzen zu kreieren. Insbesondere die herausragenden KI-Kompetenzen von Legartis gaben den Ausschlag, mit Legartis eine Technologie-Partnerschaft einzugehen. Die grobe Rollenaufteilung war, dass Legartis für das Produkt die Vertragsanalyse entwickelt und CMS die übrige Applikation baut. Wir haben uns dann aber natürlich in vielen Bereichen gegenseitig geholfen, uns ausgetauscht und zusammengewirkt.
Was ist die Idee hinter CMS ComplyDPA und wie funktioniert die Anwendung?
FL, CMS: Wenn Unternehmen Prozesse „outsourcen“ oder Cloud-Angebote nutzen, ist es regelmäßig erforderlich, eine DPA (dt. AVV) bzw. SCC mit dem Anbieter abzuschließen. Fehler, die als Verstöße gegen Datenschutzrecht zu werten sind, können neben Bußgeldern und Reputationsrisiken auch Schadensersatzansprüche Betroffener nach sich ziehen. DPAs oder SCC für jeden einzelnen Fall zu erstellen bzw. solche von der anderen Seite gestellten Vertragstexte auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen, kostet Zeit und bindet Ressourcen. CMS ComplyDPA ist eine webbasierte Datenschutz-Applikation, mit der die Erstellung und Analyse von DPAs und SCC vollständig in einem System abgebildet werden können – und dies bei flexibler Anpassung an Unternehmensvorgaben.
Auf den Punkt gebracht, sehen wir also die folgenden Benefits für unsere Mandanten und Kunden, über Branchen und Unternehmensgrößen hinweg:
Zusätzlich zur juristischen Beratung möchten wir mit dieser digitalen Lösung unsere Mandanten unterstützen und entlasten.
Was hat Legartis daran gereizt, ihr Wissen in die Produktentwicklung von CMS ComplyDPA einzubringen?
DB, Legartis: Für uns war die Idee spannend, unsere Vertragsanalyse-Kompetenzen in einem umfassenden Legal-Tech-Produkt der CMS Deutschland einzubringen.
Dass wir als Technologiepartner überzeugten, zeigte uns, dass wir mit unserer KI auf dem richtigen Weg sind – insbesondere mit dem Ansatz einer vortrainierten KI, die von Anfang an wiederholbare und konsistente Ergebnisse in der Vertragsanalyse auszuliefern vermag.
Die gemeinsamen Treffen und Gespräche mit der CMS waren geprägt von Produktivität und Innovationsfreude. Das beflügelte uns, diese Partnerschaft einzugehen. Natürlich freute es uns, dass unsere Kompetenzen in der Vertragsanalyse die CMS überzeugten.
Wie beschreibt ihr die Zusammenarbeit? Welche Herausforderungen haben sich gestellt und wie habt ihr diese gemeinsam gelöst?
FL, CMS: Die Zusammenarbeit war immer enorm professionell, auf Augenhöhe und auch von gegenseitigem Verständnis für die Unterschiede zwischen einer Legal Tech Unit einer Großkanzlei und einem ambitionierten Start-up getragen. In letzterem lag gewiss auch die besondere Herausforderung – ein Start-up ist natürlich enorm agil und ein „Schnellboot“ und auch wenn der Legal-Tech-Bereich von CMS agiler handeln kann als man von einer Kanzlei herkömmlicher Weise erwarten würde, so war für Legartis so manches Mal Geduld zu erbringen und CMS musste umgekehrt seine Prozesse beschleunigen. Wir haben trotzdem immer gemerkt, dass wir trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen ganz ähnlich „ticken“ und einfach gut zusammenarbeiten können – und genau das hat uns auch sehr dabei geholfen, alle Herausforderungen zu meistern.
DB, Legartis: Für uns waren die gemeinsamen Monate der Entwicklung sowohl herausfordernd als auch spannend. Sie gaben uns die Möglichkeit, die Prozesse und die Kunden-, bzw. Mandantenbedürfnisse einer Grosskanzlei noch besser zu verstehen. Es war uns klar, dass wir als junges Start-up mit einem höheren Speed eine Produktentwicklung vorantreiben können. Da wir jederzeit unsere nächsten Schritte mit der CMS abstimmen konnten, gelang uns letztlich eine gute Synchronisation der Entwicklungsphasen.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt - was nehmt ihr daraus mit?
FL, CMS: Da gibt es einige. Beispielsweise: Nicht alles ist auf die jeweils andere Welt übertragbar. Aber es war spannend und enorm lehrreich in einer solchen Nähe zu erfahren, wie ein Marktteilnehmer wie Legartis agiert. In der Zusammenarbeit hat sich unter anderem immer wieder gezeigt, wie wichtig offene Kommunikation ist. Gerade weil viele Unterschiede bestehen, ist es wichtig, nicht zu viele Annahmen zu treffen, sondern stets offen nachzufragen, um den anderen zu verstehen.
DB, Legartis: Wir wurden im Bereich der DPA-Prüfung von der Zusammenarbeit mit der CMS inspiriert. Die vertiefte Auseinandersetzung, bzw. das KI-Training auf AVVs hat dazu geführt, dass Legartis heute auch in dieser Vertragsart bestechende Prüfungsergebnisse liefert. Wenn zwei unterschiedliche Unternehmen miteinander eine Produktentwicklung anstoßen, dann ist eine offene Kommunikation sowie Verständnis für die Situation des anderen der Grundstein für Erfolg. Diese Kommunikationsstärke von beiden Seiten hat sicherlich seinen Teil zum gelungenen Abschluss des Technologie-Zusammenschlusses beigetragen.
Wie hoch schätzt ihr die Wichtigkeit von Anwendungen von Künstlicher Intelligenz im Rechtsbereich ein?
FL, CMS: Machine Learning kann das Arbeiten enorm erleichtern und ist bei uns in der Kanzlei an vielen Stellen gar nicht mehr wegzudenken. Dabei sind viele Potentiale noch nicht ausgeschöpft, weil die Technologie noch nicht so verfügbar ist, wie sie es bestimmt in Zukunft sein wird. Ich glaube daher, dass Machine Learning enorm wichtig sein wird, gerade wenn es um schnelle Einschätzungen zu großen Datenmengen geht. Zugleich ist es aber auch so, dass es dabei bleibt, dass der Jurist in dem Bereich, für den er sehr lange studiert hat, durch Technik schwer zu ersetzen ist. Das ist aber in gewisser Weise für uns alle auch ermutigend.
DB, Legartis: Die Revolution der künstlichen Intelligenz hat gerade erst begonnen. Das Potenzial ist riesig. Ich persönlich freue mich auf neue, spannende Anwendungsfälle, die die Arbeit von Jurist:innen erleichtern. Obschon heute bereits viel möglich ist, gibt es faszinierende Weiterentwicklungspotenziale in Bezug auf Verträge: Werden wir in Zukunft vielleicht in der Vertragsverhandlung von einer KI unterstützt, die das Wissen aus diversen Quellen zusammenträgt und dem Menschen so rechtliche wie auch taktische Unterstützung bietet? Die Rechtsabteilung der Zukunft braucht keine langatmigen Schriftstücke mehr von oben bis unten durchzulesen. Sie kann sich auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren, begleitet die Geschäftsentwicklung eng mit und profitiert von der optimalen Kombination der Maschine mit dem Menschen.
Welche nächsten Ziele verfolgen CMS Deutschland und Legartis im Legal Tech-Bereich?
FL, CMS: Wir haben natürlich neue Projekte in der Pipeline, über die wir aber wie immer erst zu gegebener Zeit sprechen werden. Es gibt daneben aber allgemeinere Ziele, die wir verfolgen, dazu gehört die kontinuierliche Verbreiterung unseres Angebots für unsere Mandanten, aber auch der kontinuierliche Ausbau der Nutzung solcher Tools in der Sozietät, also die Erschließung immer weiterer Use Cases. Aktuell freuen wir uns über unsere Nominierung als einer der Finalisten der PMN Management Awards 2022 in der Kategorie "Legal Tech" – es gab gerade in diesem Jahr ein sehr starkes Bewerberfeld, gegen das sich ComplyDPA erfolgreich durchgesetzt hat.
DB, Legartis: Legartis setzt bereits neue Standards bei der automatisierten Vertragsprüfung. Diesen Weg wollen wir weitergehen: Legartis wird als KI-Unternehmen auch in Zukunft die Entwicklung und damit die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz vorantreiben. Gleichermassen entwickeln wir unsere Produkte dahingehend weiter, dass diese weiterhin einfach und mit Freude von Fachkräften in und ausserhalb von Rechtsabteilungen für die Vertragsanalyse genutzt werden. Wir beobachten, dass Rechtsabteilungen zunehmend das grosse Potenzial einer Lösung wie Legartis erkennen. Nur schon diese Entwicklung treibt uns bei Legartis an, unsere Produkte jeden Tag weiterzuentwickeln.
Über Frederik Leenen, Partner, Head of Legal Tech CMS Deutschland: Frederik Leenen ist seit 2010 bei CMS Deutschland tätig. 2007 erwarb er einen Master of Laws (LL.M.) mit Spezialisierung auf gewerbliche Schutzrechte an der University of Connecticut School of Law. 2014 folgte die technisch geprägte juristische Promotion zum Thema "Urheberrecht und computergestützte Erkennung". Er ist Co-Leiter des Bereichs "Smart Solutions - Legal Tech und Know-How", der Legal Tech, Smart Operations (alternatives Sourcing) und Knowledge Management vereint. Dort führt er den Unterbereich Legal Tech technisch, operativ und vertrieblich. 2022 wurde Frederik Leenen zum Partner ernannt.
Über David Alain Bloch, CEO & Co-Founder Legartis: David Alain Bloch ist sowohl Rechtsanwalt als auch Unternehmer mit Herzblut. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Think Tanks foraus - Swiss Forum on Foreign Policy. Zudem ist er seit 2014 auch Global Shaper des World Economic Forum, hat den entsprechenden Hub in Bern mitbegründet und 2016/2017 den Zürcher Hub präsidiert.