Women in LegalTech at Legartis: Vivienne
Die Digitalisierung hat auch im Rechtsbereich Einzug gehalten. Die tägliche Arbeit von juristischen Mitarbeiter:innen in Unternehmen hat aber weiterhin grosses Optimierungspotenzial. Vivienne, Produktmanagerin bei Legartis, kennt die Realität am Schreibtisch vieler Unternehmensjurist:innen. Sie weiss, wie stark eine Rechtsabteilung durch LegalTech entlastet und die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen effizienter werden könnte.
In unserer Blogreihe „Women in LegalTech“ kommen die Mitarbeiterinnen im Team von Legartis zu Wort. Vivienne hat in diesem Beitrag die Fragen beantwortet, ob sich die Rechtsbranche im Angesicht der Digitalisierung neu erfinden muss und welche Rolle ihre Arbeit bei Legartis dabei spielt.
Befindet sich die Rechtsbranche durch die fortschreitende Digitalisierung im Umbruch?
Umbruch klingt nach einer ad hoc Veränderung, es ist aber eher eine graduelle Transformation. Wenn wir in unserem privaten Bereich neue Technologien nutzen, ist es ähnlich: Man fängt an, eine neue App zu verwenden, die uns den Alltag erleichtert, man gewöhnt sich daran und benutzt sie irgendwann täglich. Nach einiger Zeit kann und will man gar nicht mehr ohne diese Applikation auskommen, weil sie so hilfreich ist.
Digitalisierung ist also eher ein schleichender Prozess. Erst wenn man nach einigen Jahren zurückschaut, merkt man überhaupt, wie viel sich verändert hat und wie stark die Transformation vorangeschritten ist. Und, dass wir uns vielleicht ein Leben ohne Google Maps, Netflix oder Spotify kaum mehr vorstellen können.
Und wie funktioniert das mit LegalTech?
Natürlich ist es in einer Firma kein so direkter, einfacher Prozess, wenn neue Technologien eingeführt werden. Der Integrationsprozess muss viel besser durchdacht und geplant werden, als das im privaten Lebensbereich der Fall ist. Der Veränderungsprozess ist dadurch nicht so linear, sondern etwas komplexer. Es stehen wirtschaftliche Aspekte hinter einer solchen Entscheidung, in neue Technologien wie LegalTech zu investieren.
Aber am Ende ist es bei LegalTech dennoch genauso wie bei anderen Anwendungen: Wenn die Mitarbeiter:innen erst mal spüren, dass sich ihr Arbeitsalltag dadurch deutlich einfacher und besser gestalten lässt, wollen sie nicht mehr ohne.
Sorgt LegalTech dafür, dass sich Rechtsabteilungen grundsätzlich neu erfinden müssen?
Nein. LegalTech heisst nicht, dass die Arbeit der Unternehmensjurist:innen von einem Tag auf den anderen komplett auf den Kopf gestellt und verändert wird. Vielmehr sorgt LegalTech dafür, dass sie ihre Arbeit einfacher und effizienter erledigen und ihre Zeit besser nutzen können. LegalTech-Lösungen sollten so entwickelt werden, dass sie sich problemlos in den Alltag von Jurist:innen integrieren lassen.
Langfristig wird LegalTech jedoch einen sehr starken Einfluss auf die Arbeitsweise der Rechtsabteilungen haben. Sie soll es Jurist:innen immer mehr ermöglichen, sich von den vielen repetitiven Arbeiten abzuwenden, sich auf die komplexeren rechtlichen Aufgaben und somit auch wertschöpfenden Tätigkeiten im Unternehmen zu konzentrieren. Nehmen wir unsere Lösung von Legartis zum Beispiel. Wir digitalisieren nur einen Teil des kompletten juristischen Prozesses, der in einer Firma abläuft. Allein dadurch vereinfachen wir diese Arbeit bereits wesentlich.
Wie genau hilft Legartis Unternehmen dabei, effizienter zu werden?
Wir konzentrieren uns auf einen repetitiven Teil der juristischen Arbeit, auf den sogenannten Pre-Signing Contract Review (Vertragsprüfung vor der Unterzeichnung). Dieser Arbeitsschritt läuft in fast allen Unternehmen bis heute analog ab: Die Grundlage für die Entscheidungen, die ein:e Unternehmensjurist:in bei der Vertragsanalyse trifft, sind regelmäßig nicht standardisiert und nirgendwo hinterlegt. Oft gehen wichtige Informationen einfach verloren. Für jeden Vertrag fängt man quasi wieder von vorne an und sucht in verschiedenen Dokumenten nach den richtigen Informationen.
Bei Legartis digitalisieren wir diese Arbeitsschritte und automatisieren die repetitiven Teile der Arbeit, die auch von einer Maschine erledigt werden können. Dadurch werden Vertragsprüfungen nicht nur effizienter, sondern auch weniger frustrierend.
Zudem setzt unsere Lösung an einer wichtigen Schnittstelle zwischen Business und Legal an. In den meisten Fällen sind Fachabteilungen bei der Vertragsprüfung ganz auf die juristischen Kolleg:innen angewiesen. Mit unserer Applikation steht ihnen das wichtigste juristische Wissen jederzeit zur Verfügung. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Lösung keine Antwort geben kann, müssten sie sich an die Jurist:innen wenden. Das erleichtert die Zusammenarbeit im kompletten Unternehmen enorm.
Wie trägst Du als Produktmanagerin bei Legartis dazu bei, dass Unternehmen von diesen Vorteilen profitieren können?
Als Produktmanagerin bei Legartis ist es meine Aufgabe, die Produktentwicklungs-Richtung zu bestimmen. Ich bin dafür verantwortlich, dass unser Contract Checker unseren Kund:innen immer grösseren Mehrwert bietet. Dies erfordert viel Interaktion mit unseren Nutzer:innen und ein gutes Verständnis der Probleme, mit denen sie konfrontiert sind.
Diese Arbeit mache ich zusammen mit vielen verschiedenen Teams. In dieser Zusammenarbeit habe ich eine Schlüsselrolle als Koordinatorin und Vermittlerin zwischen den unterschiedlichen Gruppen, die an der Produktentwicklung beteiligt sind. Ich brauche dabei Wissen aus allen Bereichen, juristisches und technisches, und diese Kombination finde ich immer noch sehr faszinierend.
Wann war für Dich klar, dass Du im Bereich LegalTech arbeiten möchtest?
Mein Interesse bestand schon während des Studiums. Ich habe kein traditionelles juristisches Studium gemacht, sondern einen Bachelor in Ökonomie und Recht, später dann einen Master in internationalem Recht. Das heisst, ich bin von Anfang an nicht dem traditionellen Karriereweg gefolgt, um Anwältin zu werden, weil ich mich nicht auf einen Bereich beschränken wollte.
Während meiner ersten Berufserfahrungen habe ich gesehen, wie wenig effizient die Prozesse sind, denen Anwält:innen und Jurist:innen jeden Tag folgen, wie viel Zeit allein durch korrekte Dokumentation und Bürokratie verloren geht, in der man sich dem interessanten Teil, der juristischen Arbeit an sich, gar nicht widmet. Da war mir klar, wie viel Potenzial für Optimierung in diesem Berufsfeld noch besteht und, dass ich eine aktive Rolle in diesem Optimierungsprozess spielen wollte.
Welchen Rat kannst Du Frauen geben, die vorhaben, im Bereich LegalTech zu arbeiten?
Am besten einfach ausprobieren und sehen, ob das Interesse da ist. Als guter Startpunkt eignen sich zum Beispiel Grundlagenkurse zu Themen wie Computer, Internet und Coding. Online kann man dafür auch eine große Menge kostenloser Lernmaterialien finden. In Zürich gibt es sogar kostenlose Coding Kurse für Frauen (z. B. Ruby Monstas).
Studentinnen sollten sich umschauen, ob es am Lehrstuhl Studierendengruppen oder Veranstaltungen in Richtung Technologie gibt. Es werden auch oft interessante Sommerprogramme angeboten, bei denen man schnell viel lernen kann und die den Zugang zur LegalTech-Welt erleichtern (z. B. an der Bucerius Law School in Deutschland).
Für alle Juristinnen, die an LegalTech interessiert und die bereits im Rechtsbereich berufstätig sind, rate ich, im eigenen Unternehmen aktiv zu werden. Die Anzahl der Unternehmen, die LegalTech einsetzen, ist, besonders in der Schweiz, leider noch recht überschaubar. Da kann es für die Firma Gold wert sein, wenn jemand beginnt, LegalTech im Unternehmen voranzubringen.
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