TÜV NORD: „Wer sich Juristen leistet, sollte sich auch eine AI dazu leisten“
Die Welt sicherer machen – das ist die Mission von TÜV NORD. Unabhängig, vertrauenswürdig und fachkundig prüfen, begutachten und zertifizieren die Expertinnen und Experten in zahlreichen Branchen wie Mobilität, Immobilien, Energie und Industrie. Die begehrten TÜV-Qualitätssiegel sind weltweit anerkannt und repräsentieren Standards, auf die sich Menschen und Unternehmen verlassen können.
Die Marke TÜV steht seit über 150 Jahren weltweit für Neutralität, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Diese Leitwerte spielten auch bei der Entscheidung für die Legal AI von Legartis eine tragende Rolle. Warum TÜV NORD NDA-Verträge mit Legartis prüft und wie sich das auf das Image der Rechtsabteilung auswirkt, erzählt uns Markus Heeseler, Rechtsanwalt, Betriebswirt (VWA) und Mitarbeiter des Bereichs Recht bei TÜV NORD, in diesem spannenden Interview.
Herr Heeseler, was war für den TÜV NORD ausschlaggebend, sich für KI zu entscheiden?
KI ist ein Megatrend, der sich auch im Bereich Legal Tech durchsetzt. TÜV NORD beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit auf vielfältige Weise mit dieser Technologie. So haben wir mit anderen TÜV-Gesellschaften ein Joint Venture gegründet, um die Sicherheitsprüfung von KI zu entwickeln. Dabei beschäftigen wir uns mit der Frage: Welche Standards sollen für die Prüfung von Künstlicher Intelligenz gelten?
Und auch die Anwendung von KI im eigenen Haus kommt nicht zu kurz. Demnächst wird es zum Beispiel ein KI-gestütztes internes Chat-Tool geben. Für unsere Rechtsabteilung haben wir folgerichtig auch nach KI-Unterstützung gesucht, im ersten Schritt für die Prüfung von Geheimhaltungsvereinbarungen.
TÜV NORD hat den „Trend KI“ offensichtlich frühzeitig erkannt. Welche Vorteile verspricht sich Ihr Unternehmen von KI, insbesondere im juristischen Bereich?
Niemand weiss besser als wir bei TÜV NORD: Wo Menschen sind, werden Fehler gemacht. Es ist menschlich, etwas zu vergessen oder zu übersehen. Hier sehen wir das grosse Potenzial von KI: Sie reduziert Fehler. Das hilft uns vor allem bei Standardtexten, die routinemässig geprüft werden müssen. Weitere wichtige Vorteile für uns sind:
- Zeitersparnis: Zeit ist knapp für Unternehmensjurist:innen. Mit Hilfe von KI kommen wir im Rechtsbereich rascher voran und können diese wichtige Ressource schonen. KI kann z. B. grosse Mengen an Vertragsdokumenten viel schneller durchforsten als menschliche Mitarbeitende.
- Entlastung der Volljurist:innen: Wir können repetitive Tätigkeiten an andere Stellen auslagern, zum Beispiel an Vertragsjurist:innen in Konzerngesellschaften. Dadurch schaffen wir Freiräume für die Rechtsabteilung.
- Kostenersparnis: Durch die Automatisierung von Vertragsprüfungen und die Optimierung von Geschäftsprozessen können wir die Kosten für manuelle Arbeit senken.
- Produktivitätssteigerung: KI kann problemlos skaliert werden, um eine grosse Anzahl von Verträgen in kurzer Zeit zu bearbeiten. Wertschöpfung im Unternehmen entsteht, wenn man Ressourcen geschickt einsetzt.
Warum hat sich der TÜV NORD gerade für Legartis entschieden?
Wir haben uns verschiedene Tools angeschaut und sie vor allem nach ihrer Benutzerfreundlichkeit bewertet. Wir wollten den Aufwand in der Anwendung gering halten und kein System, das man in einem zusätzlichen Fenster auf dem Desktop öffnen muss. Legartis ist als Add-in in Word integriert, das hat uns überzeugt. Wir konnten das Tool schon nach einer Schulung einfach bedienen und auch die Konfiguration, wie z. B. die Erstellung eines Playbooks, können wir neben dem Tagesgeschäft ohne IT-Kenntnisse durchführen.
Wir haben ein Tool gesucht, das sofort einsetzbar ist. Legartis benötigt keine lange Einführungsphase und arbeitet mit einem Word Add-in. Das war perfekt für uns.
Für welche Vertragsart setzen Sie nun Legartis ein und weshalb?
Wir setzen Legartis in erster Linie für Non Disclosure Agreements (NDAs) ein, weil es sich dabei um Standardtexte mit übersichtlichem Umfang und geringer Komplexität handelt. Das ist für den Anfang ein überschaubarer Bereich. Wenn sich KI hier bewährt, werden wir den Einsatz möglicherweise auf andere Standardtexte ausweiten. Viele Verträge sind Standardverträge, es geht immer um die gleiche Branche mit ähnlichem Leistungsumfang. Da liegt es nahe, mit KI zu arbeiten.
Wie verlief das Onboarding mit der Legal AI von Legartis? Haben Sie als Projektverantwortlicher Tipps für Unternehmen in dieser Situation?
Das Onboarding war sehr gut. Wir fühlten uns umfassend betreut, unsere Fragen und Anregungen wurden schnell aufgenommen, alles lief reibungslos. Allerdings haben wir festgestellt, dass die Einführung eines neuen Tools natürlich auch zusätzliche Kapazitäten erfordert. Diese neben dem Tagesgeschäft zur Verfügung zu stellen, war eine Herausforderung.
Der Support von Legartis ist effizient und unkompliziert. Wenn wir eine Frage haben, können wir einfach schnell anrufen und bekommen sofort eine Antwort.
Auch wenn Legartis ein Tool ist, das ohne grossen Aufwand eingeführt werden kann: Es ist ein Projekt. Also brauchten wir zuerst eine Projektstruktur. Wer leitet das Projekt, wie stimmen wir uns ab, wer sind die Stakeholder, wessen Meinung holen wir ein? Das wäre mein Tipp Nummer eins: eine Projektstruktur mit zeitlichem Spielraum für die inhaltliche Abstimmung zu schaffen.
Die Grundlage der Vertragsprüfung mit Legartis ist das Playbook, in dem die Prüfregeln festgehalten sind. Das führte anfangs bei uns zu internen Diskussionen: Welche Vorgaben wollen wir der KI machen? Inhaltlich steht dann nochmal alles auf dem Prüfstand. Eine Aufteilung in Arbeitsgruppen hat sich daher bewährt. Ein weiterer Tipp: Für die Kommunikation und Koordination empfehle ich eine digitale Projektgruppe in einer Anwendung wie MS Teams.
Wie wurde Legartis bislang von den Nutzenden aufgenommen? Welche Rückmeldungen gab es?
Legartis ist eine ausgezeichnete Eigenwerbung für die moderne Rechtsabteilung: Die sonst als traditionell bekannten Jurist:innen sind ganz vorne mit dabei! Da haben die Kolleg:innen gestaunt.
Wir befinden uns noch in der Testphase, haben aber bereits positive Rückmeldungen erhalten. Die aktuell 16 aktiven Nutzenden sind sich einig, dass Legartis die Arbeit erleichtert. Natürlich muss sich vieles noch einspielen. Wir sind uns zum Beispiel noch nicht sicher, inwieweit wir die Ergebnisse der KI nachkontrollieren wollen. Wenn ein Paralegal einen Vertrag mit der KI prüft – reicht uns das? Oder soll noch ein Anwalt oder eine Anwältin drüber schauen? Das werden wir künftig herausfinden. Aber insgesamt ist das Vertrauen in die Leistungen der KI schon sehr gross.
Wir hatten auch mit keinen Widerständen im Unternehmen zu kämpfen. Bis in den Vorstand hinein haben wir mit Legartis positive Aufmerksamkeit erregt. Wir sind auf Neugier gestossen und viele waren auch überrascht, dass die Rechtsabteilung so modern ist und ein KI-gestütztes Tool einsetzt.
Welche Vorteile oder Nutzen sehen Sie bereits jetzt, nach 3 Monaten Nutzung?
Der erste Nutzen war die erneute und intensivere Beschäftigung mit den Standardtexten und den internen Vorgaben für das Playbook, was bereits erste Impulse zur Vereinheitlichung gegeben hat. Das Einrichten an sich ist also ein Gewinn, aber auch die ersten Schritte mit einer KI sind spannend.
Wir haben bisher knapp 100 NDAs geprüft, es ist also noch zu früh, um gesicherte Aussagen über den Nutzen zu machen. Ich kann aber gerne meine persönlichen Eindrücke schildern: Ich war die Urlaubsvertretung für einen Kollegen und hatte deshalb doppelt so viele Verträge auf dem Tisch: Die perfekte Gelegenheit, Legartis intensiv zu nutzen! Und ich muss sagen, es funktioniert wirklich sehr gut und hat mir viel Zeit gespart.
Was sehen Sie mittel- bis langfristig: Welche Vorteile ergeben sich für Ihr Unternehmen mit der Anwendung von KI in der Rechtsabteilung?
Wir freuen uns schon auf die Promt-basierte Automatisierung, die bei Legartis bereits verfügbar ist und die wir mittelfristig nutzen wollen. Dann müssen wir nicht einmal mehr klicken – Routinekontrollen überlassen wir ganz Legartis. Das Tool prüft und genehmigt vollautomatisiert unsere Prüfpunkte.
In Zukunft wird es sicher noch weitere Einsatzgebiete geben, zum Beispiel bei der Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. KI wird aber auch im Bereich komplexer und umfangreicher Dokumentenprüfungen (Legal Analytics) eingesetzt werden, z.B. bei der Bearbeitung von Datenräumen in M&A-Projekten oder bei Immobilienprojekten – eigentlich überall dort, wo umfangreiche Dokumente nach vordefinierten Kriterien geprüft werden müssen. Die KI durchforstet den Datenraum wesentlich schneller, sodass wir Jurist:innen uns auf spezifische Problempunkte konzentrieren können.
Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld sind internationale Vergabeverfahren. Hier kann ich mir eine Unterstützung durch KI sehr gut vorstellen. Wenn wir zum Beispiel 200 Seiten Ausschreibungsunterlagen aus Indien zur Prüfung bekommen und eine Abgabefrist einhalten müssen, dann könnte die KI die Prüfung steuern und so den Zeitdruck herausnehmen.
Welchen Unternehmen können Sie Legartis weiterempfehlen?
Ich denke, dass die Legartis AI für jede Art von Rechtsabteilung eine Bereicherung ist. Legartis macht immer dann Sinn, wenn man mindestens einen Juristen oder eine Juristin beschäftigt: Nur mit dem Tool allein wird es sicher nicht gehen.
Gerade auch für kleinere Rechtsabteilungen bietet das Programm Potenzial, weil es Ressourcenengpässe ausgleicht. Der Nutzen ist einfach enorm.
Das Interview wurde mündlich geführt.
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