Auf 13 Milliarden US-Dollar schätzen Expert:innen 2021 den Markt für Legal Technology, kurz: Legal Tech. Sie rechnen mit einem explosionsartigen Wachstum in den nächsten fünf Jahren. Immer mehr Unternehmen und Kanzleien erkennen: Es ist besser, jetzt auf den Legal Tech-Zug aufzuspringen, bevor es der Wettbewerb vor Ihnen tut. Was aber verbirgt sich genau hinter dem Buzzword Legal Tech? Ein Überblick.
Auf die Frage, “Was ist Legal Tech?”, lassen sich die unterschiedlichsten Antworten geben – und jede kann auf ihre Weise korrekt sein. Denn eine einheitliche Definition von Legal Technology existiert in Fachkreisen nicht. Das Verständnis, was unter dem Begriff zu fassen ist, hat sich in den vergangenen Jahren parallel zum technischen Fortschritt weiterentwickelt.
Zunächst wurden mit dem Begriff Legal Tech-Anwendungen bezeichnet, die administrative Abläufe des juristischen Arbeitsalltags digitalisieren und effizienter machen. Im Laufe der 2010er-Jahre kamen neue Arten von Legal-Technologien auf den Markt: Jetzt konnte die Software auch bei juristischen Kernaufgaben unterstützen.
Für eine gemeinsame Verständnisgrundlage wählen wir eine umfassende Legal Tech-Definition:
Legal Tech (Legal Technology) beschreibt digitale Anwendungen und Systeme, die dabei unterstützen, Rechtsdienstleistungen effizienter anzubieten und einer grösseren Zahl Menschen zugänglich zu machen.
Die allgemeine Definition von Legal Technology dürfte wohl auf weitreichende Zustimmung treffen. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wie sich die verschiedenen Arten von Legal Tech unterscheiden lassen. Wir stellen einige der bekanntesten Klassifizierungen vor.
Eine Studie von Harvard Business School und Boston Consulting Group (BCG) hat den Legal Tech-Markt und seine Auswirkungen auf die juristische Tätigkeit untersucht. Dabei unterscheiden die Expert:innen drei Arten von Legal Tech.
CodeX, das Zentrum für Rechtsinformatik der Universität Stanford, führt seit 2015 eine Liste mit Unternehmen, die “die Art und Weise verändern, wie Jurist:innen arbeiten”. Der CodeX Tech Index kategorisiert Legal Tech-Unternehmen in neun Themenfelder:
Viele Kategorisierungen ähneln sich, einen deutlich anderen Weg zur Klassifizierung von Legal Tech geht Zach Abramowitz. Der Legal Tech-Investor vergibt Punkte, je nachdem, welche Charakteristika eine Legal Tech-Anwendung aufweist. Je mehr Punkte, desto tiefgreifender der Einfluss auf die kernjuristische Tätigkeit und desto grösser auch der Nutzen für das einsetzende Unternehmen.
So werden die Punkte vergeben:
Die verschiedenen Methoden zur Klassifizierung von Legal Technology haben eins gemeinsam: Sie zeigen die vielseitigen Einsatzfelder der Technologie. Dementsprechend gross ist das wirtschaftliche Potenzial für Unternehmen und Kanzleien, wenn sie Legal Tech in einem oder mehreren Unternehmensbereichen einsetzen.
Sie möchten wissen, wie Legal Tech Ihr Unternehmen unterstützt? Dann schauen Sie doch einmal in unseren LegalTech-Guide.
Die Vorteile der meisten Legal Tech-Anwendungen lassen sich in drei Hauptvorteile zusammenfassen:
Digitale Anwendungen standardisieren Prozesse und beschleunigen die Bearbeitung, da jetzt mit wenigen Klicks automatisch die richtigen Folgeaktivitäten ausgelöst werden. Anwendungen, die auf Machine Learning und künstliche Intelligenz zurückgreifen, können Jurist:innen bereits heute bei der Vertragsprüfung unterstützen. Sie analysieren und bewerten nicht nur in einem Bruchteil der Zeit, die ein Mensch benötigt, sondern versetzen auch Nicht-Jurist:innen in die Lage, automatisierte Vertragsprüfungen vorzunehmen.
Technologie ermüdet nicht. Legal Tech gehört zu den effektivsten Möglichkeiten der Qualitätssicherung. Fristen werden nicht mehr verpasst, Formalia werden verlässlich eingehalten, in der juristischen Beurteilung kommt es zu keinen Flüchtigkeitsfehlern mehr. Und während Menschen sich ihre juristische Urteilsfähigkeit über Jahre erarbeiten müssen, kann beispielsweise eine trainierte KI innerhalb kurzer Zeit qualitativ hochwertige Einschätzungen treffen.
Legal Tech öffnet Unternehmen die Türen zu höherer Effizienz und Produktivität: Verträge mit Geschäftspartner:innen und Kund:innen konnten bisher nur von der Rechtsabteilung kompetent geprüft werden. Heute beschleunigt der Einsatz von künstlicher Intelligenz den Vertragsprüfungsprozess und befähigt auch Fachbereichsmitarbeitende, selbständig Verträge zu prüfen. Somit können mehr und mehr Verantwortlichkeiten zurück in die Fachbereiche und den Projektleiter:innen gegeben werden. Das erhöht das juristische Fachwissen im Unternehmen bei gleichzeitiger Entlastung der Rechtsabteilung. Die höhere Unabhängigkeit zur Rechtsabteilung führt in den Fachbereichen zu einer Beschleunigung von Vertragsabschlüssen – zugunsten des Unternehmenswachstums.
So unterschiedlich die Anwendungsbereiche sind, so vielfältig sind die Definitionen und Kategorisierungen von Legal Tech. Laut Marktforschung von Gartner werden sich die Ausgaben für Legal Tech bis 2025 verdreifachen. Bis zu 50 Prozent der Aufgaben in Rechtsabteilungen werden dann automatisiert ausgeführt.
Viele Rechtsabteilungen zögern bei der Einführung von Legal Tech, weil ihnen die technologischen Kompetenzen fehlen. Hier gibt es sicher Aufholbedarf in den nächsten Jahren. Aber wie bei jedem Technologie-Projekt gilt es, Erfahrungen zu sammeln und mit kleinen Schritten zu starten. Dafür eignen sich beispielsweise Prozesse, die oft wiederholt werden und viel repetitive, manuelle Arbeiten beinhalten.