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Legal AI: Was kann sie und was kann sie noch nicht?

Geschrieben von Kerrin Klüwer | 23-jan-2023 13:57:52

Die Erwartungen an KI sind enorm. Wie können Nutzer:innen KI erfolgreich verwenden, was sind ihre Grenzen? Informationen geben Klarheit, deswegen haben wir Ihnen einen Überblick zu den Kompetenzen von Legal AI erstellt.

Legal Artificial Intelligence (AI) bezeichnet die Nutzung von AI Technologie im Rechtswesen. Ihre Anwendungsbereiche unterscheiden sich dabei: Legal AI Systeme können darauf trainiert sein, Voraussagen über Fälle zu geben oder administrative Prozesse zu erleichtern. AI im Rechtswesen kann aber ebenfalls darauf spezialisiert sein, bei Recherchen zu unterstützen oder bei Dokumentprüfungen und -analysen zu assistieren. Die Vertragsprüfung eignet sich besonders gut für den Einsatz von Legal AI, denn hier lassen sich häufig wiederkehrende Muster erkennen und repetitive Arbeiten durch den Einsatz von AI beschleunigen.

Wie funktioniert Legal AI in der Vertragsprüfung?

Was kann Legal AI und was kann sie nicht? AI-Anwendungen funktionieren vor allem dort gut, wo Muster wiederholt werden. Deswegen bietet sich gerade im Rechtsbereich der Einsatz von AI an: Die Contract Review eignet sich dabei besonders gut, um AI im Prüfprozess einzusetzen. Denn hier werden spezifische Informationen von einer Contract Review AI aus einer großen Menge Daten herausgesucht, mit angelernten Mustern abgeglichen und für die Nutzer:innen zusammengefasst. 

Wir haben für Sie konkrete Beispiele zusammengestellt und anhand dieser die Funktionen und Möglichkeiten von Legal AI verständlich erklärt. 

Legal AI im Trainingsprozess

Damit Legal AI angewendet werden kann, die richtigen Muster erkennt und Abweichungen hervorhebt, wird die künstliche Intelligenz mithilfe von Machine Learning trainiert. Im Prozess wird der Algorithmus dabei mit jeweils hunderten Dokumenten unterschiedlicher Sprachen trainiert. 

Juristisch geschulte Experten analysieren während des Trainings jeweils die individuellen Sätze der Dokumente und definieren relevante Klauseln. Auf diese Weise werden Klauseln, wie geltendes Recht, anwendbares Recht, Garantiezeit und Gewährleistungsfrist hinterlegt und aufgrund der Ähnlichkeit zu trainierten Mustern in Verträgen erkannt. Dabei werden die Sätze Klauseln zugeordnet, es kann aber auch vorkommen, dass zwei Klauseln in einem Satz erkannt werden.

Beispielsätze im Training:

Eine Klausel pro Satz:

1. Anwendbares Recht - Governing Law

EN: “The law governing this agreement is Swiss law.” 

Dieser Satz wird als anwendbares Recht gekennzeichnet (governing law).


DE: “Dieser Vertrag untersteht ausschliesslich schweizerischem Recht.” 

Dieser Satz wird als anwendbares Recht bezeichnet.

2. Gewährleistungsfrist - Warranty Period

EN: “This Warranty covers the defects resulting from defective parts, materials or manufacturing, if such defects are revealed during the period of 12 months since the date of purchase.” 

Dieser Satz wird als Warranty Period Klausel gekennzeichnet.

DE: “Die Verjährung von Mängelansprüchen beginnt mit der Abnahme der Lieferung und endet nach 12 Monaten.” 

Dieser Satz wird als Gewährleistungsfrist gekennzeichnet. 


Zwei Klauseln pro Satz:

3. Haftungsausschluss und Höhere Gewalt - Liability Exclusion und Force Majeure 


EN: “Neither Party shall be liable for any damage that is caused by an event unforeseen at the time of signing this Agreement and whose occurrence or consequences such Party can neither avoid nor overcome by reasonable means ("event of Force Majeure"), including, but not limited to hostilities, riot, explosion, fire and flooding.” 

In diesem Satz werden die Klauseln Liability Exclusion und Force Majeure gekennzeichnet.

DE: “​​Keine Partei haftet für die Nichterfüllung oder die verzögerte Erfüllung ihrer Verpflichtungen, wenn diese auf höhere Gewalt zurückzuführen sind (dazu gehören unter anderem staatliche Maßnahmen, Streiks, Krieg, Überschwemmungen, Pandemien oder Embargos).” 

In diesem Satz werden die Klauseln Haftungsausschluss und Höhere Gewalt gekennzeichnet.

Contract Review: Wie funktioniert die Legal AI?

Während der Contract Review werden der Contract Review AI Daten vorgelegt, die die künstliche Intelligenz noch nicht zuvor bearbeitet hat. Der Algorithmus analysiert aus den vorgelegten Dokumenten jeden einzelnen, unbekannten Satz und vergleicht ihn mit den bekannten Mustern. Auf diese Weise sucht der Algorithmus nach Ähnlichkeiten zwischen dem unbekannten Satz und den trainierten Strukturen. Jeder Satz, der Ähnlichkeiten zu den trainierten Mustern aufweist, wird als Klausel identifiziert.

Beispielsätze: Training und Anwendung

1. Anwendbares Recht - Governing Law

EN: The law governing this agreement is Swiss law.” 

Dieser Satz weist Ähnlichkeiten zu anderen Sätzen auf, die als Governing Law Klausel gekennzeichnet wurden. Er wird deswegen als Governing Law identifiziert.

DE: Dieser Vertrag untersteht schweizerischem Recht” 

Dieser Satz weist Ähnlichkeiten zu anderen Sätzen auf, die als Anwendbares Recht Klausel gekennzeichnet wurden. Er wird deswegen auch hier als anwendbares Recht identifiziert.

Damit die Verträge unternehmensintern analysiert werden können und geprüft werden kann, ob Klauseln den festgelegten Unternehmensrichtlinien entsprechen, lassen sich außerdem Unternehmenseinstellungen anpassen. Dafür definieren Sie die entsprechenden Richtlinien Ihrer Organisation zentral in einem Contract Playbook. Auf dieser Grundlage kann die Vetragsprüfungssoftware entscheiden, ob die Klausel für Ihr Unternehmen akzeptabel ist oder nicht.

Im nächsten Schritt kann der Algorithmus konkrete Werte (wie Orte, Laufzeiten oder Beträge) innerhalb eines Satzes identifizieren - zum Beispiel das Gesetz der Schweiz im obigen Beispiel. Auf der Grundlage der zuvor angepassten Unternehmeneinstellungen, weiss die Vertragsprüfungssoftware, ob der gefundene Wert (z.B. der Standort Schweiz) für Ihr Unternehmen akzeptabel ist oder nicht.

Sollten unzulässige Klauseln gefunden werden, weist die Software die Benutzer:innen an, den Text mit dem Standardtext seines Unternehmens zu korrigieren. Fehlen wichtige Werte oder Klauseln, fordert die Software die Benutzer:innen auf, den fehlenden Text unter Verwendung des firmeneigenen Standardtextes einzufügen.

Kompetenzen der AI: Was kann Legal AI?

 

  1. Standardisierte Verträge oder Konzepte:

    Je ähnlicher der Trainingssatz dem zu prüfenden Satz ist, desto besser ist die Leistung eines Algorithmus. Deswegen erzielt die AI die beste Leistung bei Verträgen wie NDAs, DPAs, AGBs und EULAs. Häufig wiederkehrende Konzepte werden auch in komplexeren Verträgen wie Haftungsbeschränkungen, Gewährleistungsausschlüssen oder Risikoübergangsklauseln gut erkannt.
  2. Finden von Unstimmigkeiten in langen Verträgen:

    Vor allem bei längeren Verträgen, wie z.B. bei einem 20-seitigen DPA, ist es schwieriger, relevante Vertragssprache auf verschiedenen Seiten oder an unerwarteten Stellen, wie in der Präambel, zu erkennen. Außerdem erfordert es Anstrengungen, sicherzustellen, dass keine wichtigen Klauseln oder Werte im Dokument fehlen. Für diese Aufgaben benötigt eine AI nur wenige Sekunden.
  3. Erweiterung der Kompetenzen auf weniger erfahrene Prüfer:innen oder neue Mitarbeiter:innen:

    Komplizierte Vertragssprache und unterschiedliche Unternehmensrichtlinien für verschiedene Verhandlungsszenarien - das kann für weniger erfahrene Prüfer:innen schon einmal eine Überforderung darstellen. Mit der intelligenten Unterstützung durch ein AI-gestütztes Tool wird die Aufgabe der Vertragsprüfung viel überschaubarer und erfordert nicht jedes Mal einen erfahrenen Anwalt.

Legal AI und Mensch: Was kann AI noch nicht?

  1. Erkennen von ungewöhnlichen oder unternehmensspezifischen Klauseln:

    Ein Algorithmus braucht eine Vielzahl von Trainingsbeispielen, um zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Wenn er auf ungewöhnliche Sprache stößt, die sich stark von allem unterscheidet, was er bisher gesehen hat, sind die KI-Ergebnisse möglicherweise nicht immer korrekt - das gilt z.B. für schlecht übersetzte Klauseln oder eine Klausel, die viele unternehmensinterne Abkürzungen verwendet.

    Es ist nicht möglich, vorherzusagen, wann und wo solche ungewöhnlichen Texte auftauchen. Daher sollten Menschen die Vertragssprache, die vom Algorithmus nicht erkannt wurde, immer noch einmal überprüfen.
  2. Automatische Korrekturen vornehmen:

    Die Generierung grammatikalisch passender Korrekturtexte, wenn ein Fehler in einem fremden Dokument gefunden wird, ist heute für jede AI-Lösung noch sehr fortgeschritten.

    Korrekturen setzen voraus, dass der Algorithmus die richtigen Namen der Parteien erkennt (z. B. Empfänger oder Empfängerin), Singular und Plural bei der Verwendung von Verben und Pronomen korrekt verwendet, das richtige Geschlecht und den richtigen Fall von Wörtern in Sprachen wie Deutsch erkennt. Die Korrektur von Texten wird auch heute noch am besten von Menschen durchgeführt.
  3. Verweise auf Dokumente oder Rechtsvorschriften verstehen:

    In Vertragsklauseln wird oft auf andere Klauseln innerhalb desselben Vertrags (z. B. ungeachtet der in Klausel 2.1 beschriebenen Bedingungen), auf verwandte Verträge (z. B. gemäß dem Abschnitt über die Haftung im Rahmenvertrag) oder auf Rechtsvorschriften (z. B. gemäß § 970 ABGB) verwiesen.

    Als menschlicher Prüfer werden Sie in der Lage sein, die entsprechenden Klauseln zu identifizieren und zu überprüfen, ob es Widersprüche zwischen den Texten gibt. Diese Aufgabe ist für jede maschinelle Lernlösung noch sehr fortgeschritten, da sie nicht nur eine sehr gründliche Texterkennung, sondern auch ein grundlegendes Rechtsverständnis erfordert.

Wie funktioniert Legartis?

Schritt 1

Die Benutzer:innen richten für jeden Vertragstypen in der Legartis-App ein Contract Playbook ein. Sie gehen eine Liste von vorgefertigten Klauseln in Englisch und Deutsch durch, um zu definieren, was für ihre Organisation erforderlich und was inakzeptabel ist.

Schritt 2

Die Benutzer:innen gehen zu Microsoft Word, öffnen den zu prüfenden Vertrag (auch PDFs nach Konvertierung) und klicken auf das Legartis-Logo.

Schritt 3

AI prüft den Vertrag innerhalb von Sekunden. Die Benutzer:innen gehen dann ihren Vertrag mit Hilfe einer intuitiven To-Do-Liste durch, die ihnen anzeigt, welche Teile sie überprüfen oder korrigieren müssen. Nach Abschluss aller Aufgaben können die Benutzer:innen sicher sein, dass alle Unternehmensrichtlinien überprüft wurden und keine wichtigen Klauseln fehlen.

Sie möchten mehr darüber erfahren, wie Legal AI in der Vertragsprüfung funktioniert? In unserem Guide erhalten Sie alle wichtigen Infos zum Thema Legal Tech in der Vertragsprüfung.

FAQs zu Legal AI

  1. Muss ich einen Vertrag noch lesen, wenn ich Legal AI verwende?

    Ja - Prüfen Sie Ihre Dokumente. Wir empfehlen Ihnen dringend, Ihre Verträge weiterhin zu lesen, wenn Sie Legal AI verwenden. Die AI wird mit der Zeit immer besser und deckt immer mehr juristische Konzepte ab. Aber es gibt immer noch viele Varianten, Verträge zu schreiben. Das kann einen Algorithmus verwirren. Genau wie bei einer Rechtschreibprüfung sollten Sie als Mensch die endgültige Entscheidung treffen und alle Vorschläge ablehnen, mit denen Sie nicht einverstanden sind. 
  2. Wie kann ich dann Zeit sparen?

    Mit der intelligenten Unterstützung einer Contract Review Software können Sie auf drei Arten Zeit sparen:

    Ein Algorithmus kann in Sekundenschnelle unzulässige oder fehlende Begriffe finden. Das spart Ihnen nicht nur Zeit, weil Sie diese letzte Prüfung nicht mehr selbst vornehmen müssen. Es stellt auch sicher, dass dabei nichts übersehen wird.

    Bei der Analyse des Vertrags einer dritten Partei vergleichen Prüfer den Fremdtext oft mit ihren eigenen Vorlagen. Das Wechseln zwischen den Dokumenten und die Suche nach übereinstimmenden Absätzen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Ein AI-gestütztes Überprüfungstool macht alle erforderlichen Informationen bei Bedarf verfügbar.

    Stark standardisierte Verträge wie NDAs oder DPAs müssen nicht immer von einem erfahrenen Juristen geprüft werden. Durch die schrittweise Unterstützung ermöglicht die Legal AI auch weniger erfahrenen Prüfern und Fachmitarbeiter:innen, Verträge selbständig zu prüfen. Die Rechtsabteilung muss nur in Grenzfällen kontaktiert werden.  
  3. Was, wenn die AI mal einen Fehler macht?

    Es kann vorkommen, dass die AI hin und wieder ein Textsegment falsch klassifiziert oder “übersieht” - Wenn ein solcher Fall eintritt, kann dies direkt in der Software an Legartis gemeldet werden. Legartis evaluiert diese Fehler und verwendet sie, um die AI weiter zu verbessern. So stellen wir sicher, dass unsere AI aus ihren Fehlern lernt und stetig besser wird. Im Normalfall werden nach nur einem weiteren Training mindestens 90% der Fehler gelöst und kommen nicht mehr vor.
  4. Kann mir Legal AI auch helfen, wenn ich Themen bzw. Klauseln prüfen muss, welche die AI noch nicht gelernt hat?

    Ja! Legartis bietet die Möglichkeit, im Contract Playbook auch Prüfpunkte und Standardtexte für benutzerdefinierte Klauseln zu hinterlegen, auf die unsere AI noch nicht trainiert wurde. Auch wenn das Vorhandensein und der Inhalt solcher Klauseln im Vertrag händisch überprüft werden müssen, liefert diese Funktion doch Hilfestellung dabei, nach welchen Parametern geprüft werden soll und stellt sicher, dass nichts vergessen wird. Darüber hinaus arbeiten wir ständig am Ausbau unseres Angebots und trainieren laufend neue Klauseln.
  5. Kann mir Legal AI auch helfen, wenn die Verträge, die ich prüfen will, speziell und nicht hoch standardisiert sind?

    Ja. Auch spezielle, komplexe Verträge enthalten zumindest zum Teil wiederkehrende rechtliche Themen wie Haftungsbestimmungen oder Regelungen zu Gerichtsstand und Kündigungsrechten, die von der AI erkannt werden können. “Exotischere” Themen können mittels benutzerdefinierter Klauseln abgedeckt werden, die durch ihre Checklisten-Funktion ebenfalls zu Zeitersparnis und erhöhter Sicherheit bei der Prüfung führen. Wenn Sie auf bestimmte Themen, Branchen oder Vertragsarten zugeschnittene Lösungen suchen, besprechen unsere Experten gerne mögliche Lösungen im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft oder einer Spezialanfertigung mit Ihnen!
 

Key Takeaways

Legal AI kann Prozesse in der Rechtsabteilung und insbesondere während der Vertragsprüfung beschleunigen und Ihr Legal Team entlasten. Auf Grundlage eines umfangreichen Trainings ist der Algorithmus in der Lage, bekannte Strukturen und ähnliche Muster in neuen Dokumenten zu erkennen und zu identifizieren. Auf diese Weise kann die AI besonders Verträge, die nach standardisierten Mustern konzipiert sind, zuverlässig prüfen und die Ergebnisse für Sie zusammenfassen.

Noch kann AI aber nicht alles: Trotz der Leistungen des Algorithmus sollten Sie Ihre Verträge immer zusätzlich lesen und die endgültige Entscheidung über die Prüfergebnisse dem Menschen überlassen. Gleichzeitig können Sie die Kompetenzen zur Vertragsprüfung erweitern, an Fachmitarbeiter:innen delegieren und strukturiert mithilfe von To-Do-Listen prüfen. In der Zusammenarbeit zwischen AI und Mensch erzielen Sie die besten Ergebnisse.  

Sie möchten wissen, wie Sie Legal AI am besten in Ihrem Unternehmen implementieren? Dann lesen Sie jetzt unsere Anleitung zur Legal Tech Implementierung und erfahren Sie die 7 wichtigsten Schritte bei der Einführung von Legal Tech.