Als stark textbasierte Disziplin ist der Rechtsbereich prädestiniert für den Einsatz von Legal Tech AI. Dass Unternehmen die neuen Technologien teilweise zögerlich implementieren, hat viele Gründe: Kostenvorbehalte, Skepsis gegenüber der Anwenderfreundlichkeit und Qualität von AI-Anwendungen oder Befürchtungen von Jurist:innen, die AI als Konkurrenz betrachten. Doch eigentlich bietet sich durch Legal Tech AI die Möglichkeit, die Effizienz und Produktivität in der Rechtsabteilung zu steigern.
In diesem Beitrag erklären wir, welche Use Cases es für Legal Tech AI gibt, welche Technologien sich hinter dem Schlagwort verbergen und wie Unternehmen das Potenzial von Legal Tech AI für ihre Vertragsprüfung nutzen können.
Im Kontext von Vertragsbearbeitung fallen immer wieder zwei Begriffe: Vertragslebenszyklus und Contract Lifecycle Management (CLM). Obwohl CLM in der Wortbedeutung das Vertragsmanagement meint, hat sich der Begriff etabliert, um die Software zu bezeichnen, die Prozesse zum Vertragsmanagement unterstützt. Der Vertragslebenszyklus beschreibt genau diese Prozesse.
Der Begriff Vertragslebenszyklus verweist darauf, dass ein Vertrag von der Entwurfserstellung über die Verhandlung viele Bearbeitungsschritte durchläuft, bis er unterzeichnet und schliesslich aufbewahrt wird. Jurist:innen stehen diverse Möglichkeiten offen, die Bearbeitung der einzelnen Schritte zu organisieren oder technisch zu unterstützen.
Um zu verstehen, wie Unternehmen Software effektiv einsetzen können, werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Schritte des Vertragslebenszyklus.
Die Bearbeitung eines Vertrags lässt sich in drei Phasen einteilen: die vorvertragliche Phase (Pre-Signing Phase), die Vertragsdurchführung und die nachvertragliche Phase. Eine Phase kann mehrere Prozessschritte umfassen. Häufig werden im Vertragslebenszyklus sieben Schritte unterschieden:
In jeder dieser Phasen unterstützt Legal Tech, in einigen ist bereits heute der Einsatz von künstlicher Intelligenz möglich und vielversprechend.
Was verbirgt sich genau hinter dem Schlagwort Legal Tech AI? Wie sich Legal Technology im Allgemeinen definieren lässt, haben wir im Beitrag zur LegalTech-Definition vorgestellt. Legal Tech AI ist eine Subkategorie von Legal Tech, die Anwendungen beschreibt, die künstliche Intelligenz einsetzen. Allerdings kann der Begriff AI (Artificial Intelligence) falsche Erwartungen wecken.
Bei Legal Tech AI handelt es sich nicht um Anwendungen, die sich eigenständig in beliebige juristische Themen einarbeiten und Lösungen für Rechtsprobleme entwickeln können. Diese Form von menschenähnlicher Intelligenz wird als General AI bezeichnet und ist bisher reine Fiktion.
Was heute als künstliche Intelligenz bezeichnet wird und auch hinter Legal Tech AI steht, ist Narrow AI: Software, die in einem engen Themenbereich Leistungen erbringt, für die bisher menschliche Intelligenz notwendig war.
Legal Tech AI bezeichnet Anwendungen, die verschiedene Machine Learning-Algorithmen kombinieren und mithilfe von Natural Process Learning in der Lage sind, in einem engen juristischen Aufgabenbereich auf Basis von Vorgaben eigenständig juristische Dokumente zu bearbeiten und dabei aus ihren Fehlern lernen.
Die wichtigsten Methoden, die zur “Intelligenz” der Legal Tech-Anwendungen beitragen, sind Natural Language Processing und Machine Learning.
Natural Language Processing ermöglicht Computern, gesprochene oder geschriebene Sprache zu verstehen. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die Mehrdeutigkeit der Sprache dar. Denn im Gegensatz zum Menschen sind Computer nicht in der Lage, Sätze aufgrund ihrer Erfahrung und im Kontext interpretieren. Lesen ist daher für Computer ein äusserst komplexer Prozess und die Entwicklung von NLP-Algorithmen und -Regeln sehr anspruchsvoll.
Smarte Algorithmen, die unter dem Schlagwort künstliche Intelligenz gefasst werden, sind in der Lage, ihre Leistungen eigenständig zu verbessern. Mit anderen Worten: aus ihren Fehlern zu lernen. Dieser Prozess wird als Machine Learning bezeichnet. Man unterscheidet zwei Arten von Machine Learning: überwachtes Lernen (supervised learning) und nicht-überwachtes Lernen (unsupervised learning). Beim überwachten Lernen müssen Menschen falsche Ergebnisse der Systeme manuell korrigieren und so die KI trainieren. Beim nicht-überwachten Lernen verbessern die Systeme ihre Leistungen eigenständig.
Legal Tech AI hält sukzessive in vielen Bereichen des juristischen Arbeitsalltags Einzug. Je nach Software und Use Case unterscheidet sich die Effektivität der AI-Unterstützung.
Legal Tech AI arbeitet mittels neuster intelligenter Analyseverfahren: NLP und maschinelles Lernen. Ihr volles Potenzial entfalten die Anwendungen aus diesem Grund dort, wo sie Jurist:innen bei der Analyse von Texten unterstützen.
AI-Anwendungen, die im Vertragslebenszyklus zum Einsatz kommen, sind entweder bereits vortrainiert oder benötigen eine vorgeschaltete Trainingsphase direkt im Anwendungsgebiet, bevor sie von den Anwender:innen genutzt werden. Der Nachteil bei nicht vortrainierten AI-Anwendungen ist, dass es relativ lange dauert, bis die Anwendungen auf Unternehmensrichtlinien ausgerichtet sind. Vortrainierte Anwendungen sind dagegen ab Tag eins einsetzbar.
Denkbar ist der Einsatz in jeder Phase des Vertragslebenszyklus. Den grössten unternehmerischen Effekt erreicht Legal Tech AI jedoch in der vorvertraglichen Phase. Dort lassen sich die Unternehmensrisiken am effektivsten senken und die Produktivität mithilfe der Anwendungen messbar erhöhen.
In der vorvertraglichen Phase können Jurist:innen sich bei ihrer Recherche für die Erstellung von Vertragsentwürfen von Legal Tech unterstützen lassen. Mithilfe der Anwendungen lassen sich Dokumente viel detaillierter durchsuchen als mit bisherigen Methoden, die häufig auf Titel oder Keywords beschränkt waren.
Erhalten Jurist:innen Vertragsentwürfe, müssen sie diese nicht mehr manuell prüfen, sondern können die Vertragsprüfung von der AI ausführen lassen. Die Anwendungen sind in der Lage, Vertragsentwürfe mit Corporate Contract Playbooks abzugleichen, automatisierte Risikoanalysen durchzuführen und Hinweise auf problematische Klauseln zu geben. Jurist:innen können sich auf die aufgezeigten Passagen konzentrieren, statt Dokumente Satz für Satz durchzugehen. Eine enorme Zeitersparnis.
Auch in der nachvertraglichen Phase des Vertragslebenszyklus wird Legal Tech AI zunehmend eingesetzt, zum Beispiel um bei Übernahmen und Fusionen eine grosse Zahl an Verträgen zu analysieren, um Compliance-Prüfungen durchzuführen oder um die Recherche für juristische Verfahren zu vereinfachen (eDiscovery).
Wie Unternehmen Legal Tech AI mit messbarem Erfolg in ihren Unternehmensalltag integrieren können, zeigt das Beispiel von Schnellecke. Das mittelständische Logistikunternehmen Schnellecke entschied sich 2021 für die Einführung einer automatisierten Vertragsprüfung.
Angesichts der wachsenden globalen Konkurrenz war der Kostendruck in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Nicht nur die Kernbereiche im Unternehmen müssen sich um Prozessverbesserungen bemühen, auch die unterstützenden Funktionen wie die Rechtsabteilung sind gefordert, ihre Arbeitsweisen anzupassen.
Die Rechtsabteilung hatte von neuen Anwendungen auf Basis von KI gehört und suchte proaktiv nach einer Lösung, die die Vertragsprüfung beschleunigen könnte. Denn hier mussten sie übermässig viel Arbeitszeit investieren. Die Wahl fiel auf Legartis, da sich die Lösung nahtlos in den gewohnten Arbeitsprozess, in das Textverarbeitungsprogramm, integrieren lässt und die künstliche Intelligenz von Tag eins an sehr gute Ergebnisse erzielt. Das ist möglich, da sie bereits vortrainiert zum Kunden kommt und nicht erst in der Praxis trainiert wird.
Schnellecke lässt nun Geheimhaltungsvereinbarungen automatisiert auf die Kompatibilität mit den eigenen Unternehmensrichtlinien prüfen. Die zwei wichtigsten Vorteile: Die Prüfung selbst ist in einem Bruchteil der bisherigen Zeit abgeschlossen und sie kann direkt im Fachbereich von Nicht-Jurist:innen durchgeführt werden. Die ersten Praxiserfahrungen sind ermutigend: In Zukunft werden weitere Vertragsarten automatisiert geprüft.
Legal Tech AI befähigt Nicht-Jurist:innen in kurzer Zeit wichtige Verträge selbst prüfen. Angesichts der steigenden Arbeitsbelastung in Rechtsabteilungen müssen Fachbereiche auf diese Weise nicht mehr lange auf Prüfungsergebnisse warten. Dank automatisierter Vertragsprüfung ist es Unternehmen letztlich möglich, Neuverträge schneller zum Abschluss zu bringen und das Wachstum stärker voranzutreiben.
Legartis hat eine KI-basierte Lösung für die automatisierte Vertragsprüfung entwickelt, die einen schnellen Return on Invest erzielt und sich nahtlos in vorhandene Arbeitsprozesse integriert. Mehr dazu lesen Sie auf unserem Blog. Haben Sie Interesse an einer unverbindlichen Demo von Legartis? Dann nehmen Sie Kontakt zu uns auf.